Dienstag, 24. Juli 2012

Honoré de Balzac: Das Künstlerleben

Der Künstler ist die Ausnahme. Sein Müßiggang ist Arbeit, seine Arbeit Erholung. Er ist elegant oder nachlässig, wie's gerade kommt. Er zieht nach seinem Belieben die Arbeiterbluse an oder entschließt sich zu dem Frack, den der Weltmann trägt. Er beugt sich nicht den Gesetzen, er zwingt sie den Menschen auf. Ob er sich damit beschäftigt, nichts zu tun oder ein Meisterwerk erwägt, ohne dabei beschäftigt zu erscheinen, ob er, meinetwegen mit einem Stück Holz, ein Pferd lenkt oder mit großen Zügeln die vier Pferde einer Britschka, ob er keine fünfundzwanzig Centimes in der Tasche hat oder das Gold mit vollen Händen von sich wirft – er ist immer Ausdruck eines großen Gedankens und beherrscht die Gesellschaft.
Als Mr. Peel zum Grafen Chateuabriand ins Zimmer trat, fand er ein Arbeitszimmer, in dem alle Möbel aus Eichenholz waren. Der Gesandte, der dreißigfacher Millionär war, spürte sofort, daß alle goldenen und silbernen, noch so massiven Möbel, die England besitzt, an dieser Einfachheit gemessen, gar nichts mehr bedeuteten.
Der Künstler ist immer groß. Er hat seine eigene Eleganz und sein eigenes Leben, denn alles an ihm zeigt den Reflex seiner Geisteskräfte und seines Ruhmes. Soviel Künstler es gibt, so viel Leben gibt es, die von neuen Ideen durchsetzt sind. In ihrer Existenz hat die fashion keine Macht: diese ungezähmten Wesen ändern alles nach ihrem Geschmack. Wenn sie sich einer Pagode bemächtigen, dann tun sie das, um sie eben nach ihrem Sinn zu ändern. Aus dieser Lehre ergibt sich ein Aphorismus von Gültigkeit für ganz Europa: Ein Künstler lebt wie er mag, oder . . . wie er eben kann.

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