Mittwoch, 25. August 2010

Pfarrköchin von Georg Queri

Der Herr Bischof ist auf seiner Visitationsreis’ zum Pfarrer von Impenkett gekommen und hat alles schön gut und brav befunden an dem Seelsorger.

„Aber, daß Deine Köchin gar so viel jung ist, das will mir halt nit passen, Herr Pfarrer!“

„Ich tät schon eine ältere her, wann der Herr Bischof meint“, hat der Pfarrer gezittert.

„So, und wie alt wär die nachher?“

„Vielleicht wie ein altes Schweizer Kühle?“

„Ist recht“, hat der Bischof gesagt, „also wie ein altes Schweizer Kühle.“

Dann sind sie selbander in’s Wirtshaus gangen zum Vespern. Und den Kirchenpfleger hat der Herr Bischof auch zum Vespern mitgenommen.

„Kirchenpfleger“, hat er dann gesagt, aber so leis, daß es der Pfarrer nit hat hören können, „wie alt wird denn so eine Schweizer Kuh?“

„Wann s’ halt recht arg alt wird“, hat der Kirchenpfleger gemeint, „dann kann’s schon sein, daß sie ihre achtzehn Jahr auf den Buckel kriegt.“

Dienstag, 24. August 2010

Man ist viel mehr Künstler als man weiß

So wenig ein Leser heute die einzelnen Worte (oder gar Silben) einer Seite sämtlich abliest - er nimmt vielmehr aus zwanzig Worten ungefähr fünf nach Zufall heraus und "errät" den zu diesen fünf Worten mutmaßlich zugehörigen Sinn -, ebenso wenig sehen wir einen Baum genau und vollständig <> Selbst inmitten der seltsamsten Erlebnisse machen wir es noch ebenso: Wir erdichten uns den größten Teil des Erlebnisses und sind kaum dazu zu zwingen, nicht als "Erfinder" irgendeinem Vorgang zuzuschauen. Dies alles will sagen: Wir sind von Grund aus, von alters her - ans Lügen gewöhnt. Oder, um es tugendhafter und heuchlerischer, kurz angenehmer auszudrücken: Man ist viel mehr Künstler als man weiß.

Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse

Sonntag, 8. August 2010

Dies ist ein Gleichnis für jeden Einzelnen von uns:

er muss das Chaos in sich organisieren, dadurch dass er sich auf seine ächten Bedürfnisse zurückbesinnt. Seine Ehrlichkeit, sein tüchtiger und wahrhaftiger Charakter muss sich irgendwann einmal dagegen sträuben, dass immer nur nachgesprochen, nachgelernt, nachgeahmt werde; er beginnt dann zu begreifen, dass Cultur noch etwas anderes sein kann als Dekoration des Lebens, dass heisst im Grunde doch immer nur Verstellung und Verhüllung; denn aller Schmuck versteckt das Geschmückte. So entschleiert sich ihm der griechische Begriff der Cultur – im Gegensatz zu dem romanischen – der Begriff der Cultur als einer neuen und verbesserten Physis, ohne Innen und Aussen, ohne Verstellung und Convention, der Cultur als einer Einhelligkeit zwischen Leben, Denken, Scheinen und Wollen. So lernt er aus seiner eignen Erfahrung, dass es die höhere Kraft der sittlichen Natur war, durch die die Griechen der Sieg über alle anderen Culturen gelungen ist, und dass jede Vermehrung der Wahrhaftigkeit auch eine vorbereitende Förderung der wahren Bildung sein muss: mag diese Wahrhaftigkeit auch gelegentlich der gerade in Achtung stehenden Gebildetheit ernstlich schaden, mag sie selbst einer ganzen dekorativen Cultur zum Falle verhelfen können.

Friedrich Nietzsche, Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben

Der Ausgestoßene

Räsonieren wir ohne Furcht, der Nebel wird sich schon halten.

Samuel Beckett