Donnerstag, 29. September 2011

hydroelectric plant of Belo Monte


"The chief Raoni cries when he learns that brazilian president Dilma released the beginning of construction of the hydroelectric plant of Belo Monte, even after tens of thousands of letters and emails addressed to her and which were ignored as the more than 600 000 signatures. That is, the death sentence of the peoples of Great Bend of the Xingu river is enacted. Belo Monte will inundate at least 400,000 hectares of forest, an area bigger than the Panama Canal, thus expelling 40,000 indigenous and local populations and destroying habitat valuable for many species - all to produce electricity at a high social, economic and environmental cost, which could easily be generated with greater investments in energy efficiency."

Sonntag, 25. September 2011

Donnerstag, 22. September 2011

was einmal das Nützliche wäre

(...) Aber alles Nützliche ist in der Gesellschaft entstellt, verhext. Daß sie die Dinge erscheinen läßt, als wären sie um der Menschen willen da, ist die Lüge; sie werden produziert um des Profits willen, befriedigen die Bedürfnisse nur beiher, rufen diese nach Profitinteressenen hervor und stutzen sie ihnen gemäß zurecht. Weil das Nützliche, den Menschen zugute Kommende, von ihrer Beherrschung und Ausbeutung Gereinigte das Richtige wäre, ist ästhetisch nichts unerträglicher als seine gegenwärtige Gestalt, unterjocht von ihrem Gegenteil und durch es deformiert bis ins Innerste. Die raison d'être aller autonomen Kunst seit der Frühzeit der bürgerlichen Ära ist, daß einzig das Unnütze einsteht für das, was einmal das Nützliche wäre, der glückliche Gebrauch, Kontakt mit den Dingen jenseits der Antithese von Nutzen und Nutzlosigkeit. (...)

Adorno, Auszug aus Funktionalismus heute

Dienstag, 20. September 2011

Landschaft

von Nicoosi,
Collage, 210 mm × 297 mm

Donnerstag, 15. September 2011

Cathy Davey

Happy Slapping

Bad Weather

Montag, 12. September 2011

Sonntag, 11. September 2011

Erik Satie - Gymnopédie No. 1

Jacques Rigaut

Ich werde ernst sein wie das Vergnügen. Die Leute wissen nicht, was sie sagen. Es gibt keine Gründe zu leben, aber es gibt erst recht keine Gründe zu sterben. Es zu akzeptieren ist das einzige, was uns unsere Verachtung für das Leben bezeugen läßt. Das Leben ist es nicht wert, daß man sich die Mühe gibt, es zu verlassen. Man kann es einigen anderen aus Barmherzigkeit ersparen, aber sich selbst ? Die Verzweiflung, die Gleichgültigkeit, die Treulosigkeit, die Treue, die Einsamkeit, die Familie, die Freiheit, die Schwerfälligkeit, das Geld, die Armut, die Liebe, das Ausbleiben der Liebe, die Syphilis, die Gesundheit, der Schlaf, die Schlaflosigkeit, die Begierde, die Impotenz, die Platitüde, die Kunst, die Ehrbarkeit, die Schande, die Mittelmäßigkeit, die Intelligenz, alles kein Grund zur Aufregung. Wir wissen viel zu sehr, wozu diese Dinge gut sind, um uns vor ihnen in acht nehmen zu können, sie sind gerade gut genug, um einige belanglose Fälle von Suizid zu verbreiten. (Sicher, es gibt zweifellos das Leiden des Körpers. Mir geht es gut, umso schlimmer für die, die leberkrank sind. Ich bin weit davon entfernt, an den Opfern Gefallen zu finden, aber ich will es den Leuten nicht verübeln, wenn sie meinen, sie könnten ein Krebsgeschwür nicht aushalten.) Und dann, nicht wahr, ist es der Revolver, mit dem wir uns heute abend töten werden, wenn es uns beliebt, der uns befreit, der uns jede Chance zu leiden raubt. Die Verstimmung und die Verzweiflung sind im übrigen immer nur neue Gründe, am Leben hängen zu bleiben. Schön bequem, der Suizid : ich denke unauffhörlich daran; zu bequem : ich habe mich nicht getötet. Ein Bedauern bleibt bestehen : man möchte sich nicht davonmachen, bevor man sich kompromittiert hat, man möchte, wenn man sich davon macht, Notre-Dame, die Liebe oder die Republik mit sich nehmen.
Der Suizid muß eine innere Berufung sein. Ein Blut, das zirkuliert, und das eine Rechtfertigung für seinen endlosen Kreislauf fordert. In den Fingern herrscht die Ungeduld, sich endlich in die hohle Hand einzugraben. Das ist der Juckreiz einer Aktivität, die auf den zurückweist, der sie an den Tag legt, wenn es der Unglückliche versäumt hat, sich ein Ziel zu geben. Begierden ohne Inhalt. Verlangen nach dem Unmöglichen. Hier erhebt sich die Grenze zwischen den Leiden, die einen Namen haben und einen Gegenstand, und jenen anderen, die anonym und selbsttätig sind. Für den Geist ist das eine Art von Pubertät, so wie man sie in Romanen beschreibt (denn ich bin natürlich viel zu jung korrumpiert worden, um eine Krise zu der Zeit erkannt zu haben, als sie sich im Schoße zu regen begann), aber man überwindet sie anders als durch den Suizid. Ich habe nicht viel ernst genommen; als Kind streckte ich den armen Alten, die meine Mutter auf der Straße um ein Almosen baten, die Zunge heraus und ich zwickte insgeheim ihre Gören, die vor Kälte heulten; als mein sterbender Vater beabsichtigte, mir seine letzten Wünsche anzuvertrauen, und mich an sein Bett rief, packte ich das Dienstmädchen und sang : Deine Eltern in den Tod mußt wiegen, — Wirst schon sehn wie wir uns dann lieben ....... Ich glaube, jedesmal wenn ich das Vertrauen eines Freundes enttäuschen konnte, habe ich das kaum unterlassen. Aber es ist ein bescheidener Verdienst, die Güte zu verspotten, die Barmherzigkeit zum Narren zu halten, und das treffendste Element der Komik ist es, die Leute um ihr kleines bißchen Leben zu bringen, grundlos, nur um zu lachen. Die Kinder irren sich darin nie und wissen das ganze Vergnügen auszukosten, das darin liegt, Panik in einem Ameisenhaufen zu stiften, oder zwei, beim Rumhuren erwischte Fliegen zu zerquetschen. Während des Krieges warf ich eine Granate in einen Unterstand, als sich zwei Kameraden gerade fertig machten, um in Urlaub zu gehen. Welch schallendes Gelächter, das Entsetzen im Gesicht meiner Geliebten zu sehen, die ich, als sie erwartete, eine Liebkosung zu empfangen, mit einem Schlagring schlug, und als ihr Körper einige Schritte weiter zusammensackte; und welch ein Spektakel, diese ganzen Leute, die sich aus dem Gaumont-Palast herauskämpften, nachdem ich dort Feuer gelegt hatte. Heute abend, Sie haben nichts zu befürchten, habe ich die Lust, die Laune und die Phantasie, ernst zu sein. — Offensichtlich ist an dieser Geschichte nicht ein wahres Wort, und ich bin der artigste kleine Junge von Paris, aber ich habe so oft Vergnügen daran gefunden, mir vorzustellen, ich hätte solcherlei ehrbare Heldentaten vollbracht oder wäre im Begriff, sie zu vollbringen, daß es keineswegs eine Lüge ist.

Auszug aus Suizid von Jacques Rigaut

Donnerstag, 8. September 2011

Dienstag, 6. September 2011

Blick von einem anderen Stern

Die Geschlossenheit der Kunstwerke als Einheit ihrer Mannigfaltigkeit überträgt unmittelbar die naturbeherrschende Verhaltensweise auf ein ihrer Realität Entrücktes; vielleicht weil das selbsterhaltenden Prinzip über die Möglichkeit seiner Realisierung draußen hinausweist, dort vom Tod sich widerlegt sieht und damit nicht sich abzufinden vermag; autonome Kunst ist ein Stück veranstalteter Unsterblichkeit, Utopie und Hybris in eins; träfe ein Blick von einem anderen Stern die Kunst, so wäre ihm wohl alle ägyptisch. Die Zweckmäßigkeit der Kunstwerke, durch die sie sich behaupten, ist nur der Schatten der Zweckmäßigkeit draußen.

Adorno

durch die Brille ihrer Zeitungen

Die Wahrheit ist, daß die Leute alles durch die Brille ihrer Zeitungen sehen, und wie könnte es anders sein, da sie ja persönlich weder von den betreffenden Persönlichkeiten noch Ereignissen Kenntnis haben!

Marcel Proust

Montag, 5. September 2011

doch geistlos triumphiert die Spießbürgerlichkeit

(…)
Etwas anders verhält es sich mit Spießbürgerlichkeit, Trivialität, der es auch wesentlich an Möglichkeit fehlt. Spießbürgerlichkeit ist Geistlosigkeit, während Determinismus und Fatalismus Geistesverzweiflung sind; doch auch Geistlosigkeit ist Verzweiflung. Spießbürgerlichkeit hat keinerlei Bestimmung von Geist und geht im Wahrscheinlichen auf, in dem dann das Mögliche sein bisschen Platz findet; ihr fehlt also die Möglichkeit, um aufmerksam auf Gott zu werden. Phantasielos, wie der Spießbürger immer ist, lebt er in einem gewiss trivialen Inbegriff von Erfahrungen: wie es zugeht, was da möglich ist, was zu geschehen pflegt – er mag im übrigen Bierzapfer oder Staatsminister sein. So hat der Spießbürger sich selbst und Gott verloren. Denn damit ein Mensch auf sein Selbst und auf Gott aufmerksam werde, muss ihn die Phantasie höher und über den Dunstkreis des Wahrscheinlichen tragen, sie muss ihn aus diesem herausreißen und ihn lehren, indem sie möglich macht, was das quantum satis jeglicher Erfahrung überschreitet, zu hoffen und zu fürchten oder zu fürchten und zu hoffen. Doch der Spießbürger hat keine Phantasie, will sie nicht haben, verabscheut sie. Hier gibt es also keine Hilfe. Und wenn dann das Dasein manchmal mit Schrecknissen hilft, welche die Papageien-Weisheit der trivialen Erfahrung überschreiten, dann verzweifelt die Spießbürgerlichkeit, das heißt, dann wird offenbar, dass sie Verzweiflung war; nun fehlt ihr die Möglichkeit des Glaubens, um durch Gott ein Selbst vor dem sicheren Untergang zu erretten.
Dagegen haben Fatalismus und Determinismus Phantasie genug, um an der Möglichkeit zu verzweifeln, und Möglichkeit genug, um die Unmöglichkeit zu entdecken; die Spießbürgerlichkeit beruhigt sich im Trivialen, ob es nun gut oder schief geht, gleich verzweifelt. Fatalismus und Determinismus fehlt es an Möglichkeit, um die Notwendigkeit zu entspannen und zu mildern, zu temperieren, also an Möglichkeit zur Milderung; der Spießbürgerlichkeit fehlt es an Möglichkeit als Erweckung aus der Geistlosigkeit. Denn die Spießbürgerlichkeit glaubt, sie würde über die Möglichkeit herrschen, sie hätte diese ungeheure Elastizität in die Falle oder Irrenanstalt des Wahrscheinlichen gelockt, glaubt, sie gefangen zu halten; sie führt die Möglichkeit eingesperrt im Käfig der Wahrscheinlichkeit herum, zeigt sie vor, bildet sich selber ein, der Herr zu sein, merkt nicht, dass sie gerade dadurch sich selbst gefangen hat und Sklave der Geistlosigkeit und das Erbärmlichste von allem geworden ist. Denn mit der Kühnheit der Verzweiflung schwingt sich auf, wer sich in der Möglichkeit verlief; zerknirscht in Verzweiflung verhebt sich am Dasein, wem alles zur Notwendigkeit wurde – doch geistlos triumphiert die Spießbürgerlichkeit.

Kierkegaard