Sonntag, 3. April 2011

Keine Katharsis

 
... es gibt eine Idee Patrick Bateman, einen abstrakten Entwurf, aber kein wahres Ich, nur eine Erscheinung, etwas schemenhaftes, und obwohl ich in der Lage bin, mein kaltes Starren zu verbergen, und du mir die Hand schütteln kannst und dabei Fleisch spürst, das dein Fleisch umschließt, und vielleicht sogar das Gefühl hast, unser Lebensstil sei vergleichbar: Ich bin einfach nicht da. Es fällt mir in jeder Beziehung schwer, Hand und Fuß zu haben. Mein Ich ist künstlich, eine Anomalie. Ich bin ein unkontingentes menschliches Wesen. Meine Persönlichkeit ist rudimentär und ungeformt, meine Herzlosigkeit geht tief und ist gefestigt. Mein Bewußtsein, mein Mitgefühl, meine Hoffnungen, sind schon lange verschwunden (vielleicht in Harvard), als hätten sie nie existiert. Es gibt keine Grenzen mehr zu überschreiten. Alles, was mich gemein macht mit den Unkontrollierten und Wahnsinnigen, den Grausamen und Bösen, all die Blutbäder, die ich verursacht habe, und meine völlige Gleichgültigkeit darüber, habe ich jetzt selbst übertroffen. Und trotzdem klammere ich mich an eine einzige platte Wahrheit: Niemand ist sicher, nichts ist gesühnt. Und doch bin ich schuldlos. Jedem Modell menschlicher Verhaltensmuster muß eine gewisse Berechtigung zugestanden werden. Ist das Böse etwas, was man ist? Oder ist es das, was man tut? Mein Schmerz ist konstant und schneidend, und ich hoffe für keinen auf eine bessere Welt. Tatsächlich will ich, daß mein Schmerz auch andere erleiden. Ich will, daß keiner davonkommt. Aber selbst nach diesem Eingeständnis – das ich zahllose Male gemacht habe, bei fast allen Taten, die ich begangen habe – und nachdem ich mich der Wahrheit gestellt habe, tritt keine Katharsis ein. Ich erfahre keine tiefere Wahrheit über mich selbst, keine neue Erkenntnis kann aus meiner Beichte gezogen werden. Ich hatte gar keinen Grund, Ihnen das zu erzählen. Dieses Geständnis hat nichts zu bedeuten ...

Bret Easton Ellis, American Psycho
Gemälde von Giacometti

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