Montag, 31. Oktober 2011

Nacht und Nebel von Alain Resnais

Teil 1/4


Teil 2/4


Teil 3/4


Teil 4/4

Donnerstag, 20. Oktober 2011

Selbstporträt


von nicoosi
Collage, 148 mm × 209 mm

Gnome

Spend the years of learning squandering
Courage for the years of wandering
Through a world politely turning
From the loutishness of learning

Samuel Beckett

Dienstag, 18. Oktober 2011

Korrektionsstrafe

(...)
Selbst heute noch, nach so vielen Jahren, kommt mir dies alles irgendwie übel vor. Manches kommt mir jetzt übel vor, aber . . . sollte ich nicht hier meine „Aufzeichnungen“ abbrechen? Ich glaube, es war ein Fehler, daß ich sie überhaupt begonnen habe. Wenigstens habe ich mich während des Schreibens dieser Novelle die ganze Zeit geschämt: also ist es nicht mehr Literatur, sondern Korrektionsstrafe. Denn lange Geschichten darüber erzählen, wie ich das Leben verfehlt habe durch moralische Zersetzung in meinem Winkel, durch Mangel einer Außenwelt, durch Entwöhnung von allem Lebendigen und durch sorgfältig gepflegte Bosheit im Kellerloch – und das ist bei Gott wenig unterhaltend; ein Roman verlangt einen Helden, hier aber sind absichtlich alle Eigenschaften eines Anti-Helden zusammengetragen, vor allen Dingen wird das Ganze einen äußerst unangenehmen Eindruck hervorrufen, haben wir uns doch alle des Lebens entwöhnt, alle hinken wir, der eine mehr, der andere weniger. Haben wir uns doch so sehr entwöhnt, daß uns mitunter vor dem wirklichen ‚lebendigen Leben’ beinahe Ekel erfaßt, und darum können wir es nicht ausstehen, wenn wir an das Leben erinnert werden. Sind wir doch so weit gekommen, daß wir das wirkliche lebendige Leben beinahe für Arbeit, fast für einen Frondienst halten und im geheimen uns vollkommen einig sind, daß es im Buch besser steht. Und darum zappeln wir uns zuweilen ab, warum gebärden wir uns wie toll, worum betteln wir? Das wissen wir selbst nicht. Es würde uns zu unserem eigenen Schaden gereichen, wenn unsere Grillen in Erfüllung gingen. Nun, probieren Sie es, geben Sie uns, meinetwegen, größere Selbstständigkeit, Ellenbogenfreiheit, erweitern Sie das Tätigkeitsfeld, lockern Sie die Bevormundung, und wir . . . Aber ich versichere Ihnen: wir werden sofort wieder um Bevormundung betteln. Ich kann mir denken, daß Sie vielleicht über diese Behauptung ungehalten sein werden, daß Sie schreien und mit den Füßen stampfen werden: „Reden Sie von sich und von ihrem Kellerloch-Elend, aber unterstehen Sie sich, ‚Wir alle’ zu sagen.“ Erlauben Sie, meine Herrschaften, ich will mich durchaus nicht etwa durch dieses ‚Wir alle’ rechtfertigen. Was mich im besonderen angeht, so habe ich in meinem Leben lediglich das bis zum Äußersten gewagt, was Sie nicht einmal bis zur Hälfte gewagt haben, wobei Sie Ihre Feigheit auch noch für Einsicht hielten und sich trösteten, indem Sie sich selbst betrogen. Also stellt sich heraus, daß ich zu guter Letzt noch ‚lebendiger’ bin als Sie, meine Herrschaften. Sehen Sie doch genau hin! Wir wissen ja nicht einmal, wo das Lebendige jetzt lebt, was es ist, wie es heißt! Laßt uns allein, ohne Buch, und wir werden sofort irre, unschlüssig – wissen nicht wohin, an wen uns halten, was lieben und hassen, was achten und was verachten! Es ist uns ja sogar lästig, Mensch zu sein – ein Mensch mit wirklichem eigenen Fleisch und Blut; wir schämen uns dessen, halten es für eine Schmach und trachten lieber danach, irgendwelche phänomenale Allgemeinmenschen zu sein. Wir sind Totgeborene, werden wir doch schon lange nicht mehr von lebendigen Vätern gezeugt, und das gefällt uns immer besser und besser. Wir bekommen Geschmack daran. Bald werden wir so weit sein, daß wir von einer Idee gezeugt werden. Aber genug – ich habe keine Lust mehr, ‚aus dem Kellerloch’ zu schreiben . . .

Auszug aus „Aufzeichnungen aus dem Kellerloch“
Von Fjodor Dostojewskij

Swetlana Geier

Sonntag, 16. Oktober 2011

Doch zur Sache

Trotz meiner großen Armut an Kenntnissen (worunter ich nicht alles verstehe, was ich weiß, sondern nur was ich auch zweckmäßig zusammengedacht habe), finde ich mich oft nicht wenig durch den Gedanken beruhigt, daß ich das durch tausendfaches Interesse gespaltene und tausendfach sich selbst betrügende menschliche Herz dem Grad habt kennen lernen, daß ich an einer Sache zweifeln kann, und wenn sie in tausend Büchern bejaht stünde, tausend Jahre durch geglaubt worden, und als untrüglich von schönen und häßlichen Lippen verkündigt worden wäre. Ich habe mir zur unverbrüchlichen Regel gemacht, aus Respekt schlechterdings nichts zu glauben, demohngeachtet aber, vor wie nach, fortzufahren, aus Respekt am gehörigen Ort oft zu tun und zu sagen, was ich nicht glaube und nicht glauben kann. Der Mensch ist ein solches Wunder von Seltsamkeit, daß ich überzeugt bin, es gibt Leute, die oft meinen, sie glaubten etwas und glaubens doch nicht, die sich selbst belügen, ohne es zu wissen, und Dinge einem andern nachzumeinen und nachzufühlen glauben, die sie ihm bloß nachsprechen. Daß das wahr ist, davon, sage ich, bin ich sicher überzeugt, denn ich habe mich ehemals selbst darüber ertappt. Dieses hat mich sehr mißtrauisch gegen mich selbst und noch mehr gegen die Versicherungen anderer gemacht, deren Interesse, Gattung von Eigenliebe und Verstandeskräfte ich nicht kenne, und von denen ich also nicht weiß, ob sie ein Votum haben, oder ob sie bloß Herolde sind. Wir sind nur gar zu geneigt zu glauben, das sei wahr, was wir oft bejahen hören und was viele glauben, und bedenken nicht, daß der Schein, der zehn betrügt, Millionen betrügen kann. Neun Zehnteile des menschlichen Geschlechts glauben, die Erde stünde still, und es ist doch nicht wahr. Wir bedenken nicht, daß, wenn Einer halb aus Interesse etwas bejaht, es Tausende ganz aus Interesse nachsagen, und zehntausend, weil sie doch was sagen müssen, und gar keine Meinung haben, oder bloß anderer ihre. Das ist der größte Teil der Menschen. Es ist daher Jammer Schade, daß wir so oft die Stimmen nur zählen können. Wo man sie wägen kann, soll man es nie versäumen. Ich kann daher nicht leugnen, daß mir die Leute vorzüglich angenehm sind, die ohne Affektation zuweilen die evidentesten Sätze bezweifeln, oder Leute zu entschuldigen suchen, die sie bezweifelt haben, so wie neulich K... von D..., der behauptet hatte, 3 mit 0 multipliziert wäre 3, oder mit andern Worten dreimal nichts wäre drei. Ohne im geringsten solchen absurden Zweifeln, wie diese, eben angeführt, das Wort zu reden, glaube ich auch, daß es keine größere Verstandsstärkung gibt, als Mißtrauen gegen alle Meinungen der Menge. Man kann sich immer sicher zurufen: das ist nicht wahr, und wenn man auch gleich am Ende findet, daß man sich geirrt hat; so wird man diesen Irrtum nie ohne Gewinn von Seiten des Systems von Kenntnissen entdecken, die man hat, und dessen Festigkeit doch eigentlich ausmacht, was wir Seelenstärke nennen. Sagen oder gar predigen muß man diese Zweifel eben nicht immer. In Religionssachen ist es das sichere Zeichen eines schwachen Kopfs. Denn was ist wahr an diesen Dingen, das nicht sein Wahreres haben kann? Und wo es auf zeitliche Ruhe und Glückseligkeit ankommt, muß man, meiner Meinung nach, allgemein angenommene Sätze so wenig ohne große Ursache ändern, als einen geprüften guten Minister mit einem andern vertauschen, von dessen Geschicklichkeit man sich mehr bloß verspricht. In der Frage, worüber ich jetzt schreibe, könnte die mutwilligste öffentliche Untersuchung keinen Schaden stiften, ja nutzen würde sie, weil hierin das kleinste Teilchen, dem Zaum anzulegen oder dem Sporn abzunehmen, ein gutes Werk tun heißt, es müßte dann sein, daß man so schriebe, daß man gerade das Gegenteil würkte, so wie jemand von L... s Abhandlung vom Selbstmord gesagt hat: Er wüßte nicht, seitdem er das Büchelchen gelesen hätte, käme ihn zuweilen der Kitzel an, sich selbst zu ermorden. – Sehen Sie nun, warum ich meinen Brief zurück verlange? Doch zur Sache.
(...)

Georg Christoph Lichtenberg

Freitag, 14. Oktober 2011

Montag, 10. Oktober 2011

Das Barbarische ist das Buchstäbliche.

Gänzlich versachlicht wird das Kunstwerk, kraft seiner puren Gesetzmäßigkeit, zum bloßen Faktum und damit als Kunst abgeschafft. Die Alternative, die in der Krisis sich öffnet, ist die, entweder aus der Kunst herauszufallen oder deren eigenen Begriff zu verändern.

Adorno, Ästhetische Theorie