Samstag, 7. Januar 2012

Karl Kraus über den Krieg

Klerus und Krieg: man kann auch den Mantel der Nächstenliebe nach dem Winde hängen.

"Den Weltmarkt erobern": weil Händler so sprachen, mußten Krieger so handeln. Seitdem wird erobert, wenngleich nicht der Weltmarkt

Sollte "Schlachtbank" nicht vielmehr von der Verbindung der Schlacht mit der Bank herkommen?

Es mag Kriege gegeben haben, in denen Körperliches für Geistiges eingesetzt wurde. Aber nie zuvor hat es einen gegeben, in dem nur die Abwesenheit des Geistigen verhindert hat, dieses für Körperliches einzusetzen.

Dreifachem Reim entziehe sich die Welt: dem Reim auf Feld und Geld und Held.

Wenn Mut überhaupt im Bereich physischer Auseinandersetzungen denkbar ist, so könnte er wohl eher dem Unbewaffneten zuzuschreiben sein, der dem Bewaffneten gegenübersteht, als umgekehrt. Die so entwickelte Waffe bedingt es nun, daß der Mensch in neuen Kriege zugleich bewaffnet und unbewaffnet ist, indem er doch eine Waffe gebraucht, gegen die er persönlich wehrlos ist, zugleich ein Feigling und ein Held. Es sollte in diesem Stadium der Entwicklung, wenn nichts anderes, das ornamentale Wesen des Säbels auffallen, einer Waffe, die etwa noch im Frieden Verwendung finden könnte. So mag dereinst ein Flammenwerfer zur Montur gehören, wenn anders der Fortschritt der Menschheit weiter auf das Ingenium des Ingenieurs angewiesen bleibt. Aber es ist wohl zu hoffen, daß die Menschheit, wenn sie den Ehrgeiz hat, sich die Rauflust zu erhalten, sich eines Tages entwaffnen und versuchen wird, wieder ohne die Ingenieure Krieg zu führen.

Karl Kraus

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