Samstag, 23. Juli 2011

Das Vorwort

Der Künstler ist der Schöpfer schöner Dinge.
Kunst zu offenbaren und den Künstler zu verbergen ist Ziel der Kunst.
Kritiker ist, wer seinen Eindruck von schönen Dingen in einen anderen Stil oder ein neues Material zu übertragen vermag.
Die höchste wie die niedrigste Form von Kritik ist eine Art Autobiographie.
Wer in schönen Dingen Häßliches entdeckt ist verdorben, ohne charmant zu sein. Das ist ein Fehler.
Wer in schönen Dingen Schönes entdeckt, ist kultiviert. Für ihn besteht Hoffnung.
Auserwählt sind die, denen schöne Dinge nichts als Schönheit bedeuten.
So etwas wie ein moralisches oder ein unmoralisches Buch gibt es nicht. Bücher sind entweder gut oder schlecht geschrieben. Das ist alles.
Die Abneigung des neunzehnten Jahrhunderts gegen den Realismus ist die Wut Calibans, der sein eigenes Gesicht im Spiegel sieht.
Die Abneigung des neunzehnten Jahrhunderts gegen die Romantik ist die Wut Calibans, der sein eigenes Gesicht nicht im Spiegel sieht.
Das moralische Leben der Menschen gehört zum Gegenstand des Künstlers, doch die Moralität der Kunst besteht im vollkommenen Gebrauch eines unvollkommenen Mediums.
Kein Künstler will etwas beweisen. Selbst Dinge, die wahr sind, können bewiesen werden.
Kein Künstler nährt moralische Sympathien. Moralische Symphatie bei einem Künstler ist eine unverzeihliche Manieriertheit des Stils.
Kein Künstler ist jemals morbid. Der Künstler kann alles ausdrücken.
Denken und Sprache sind für den Künstler Werkzeuge einer Kunst.
Laster und Tugend sind für den Künstler Materialien einer Kunst.
Unter dem Gesichtspunkt der Form ist die Kunst des Musikers die Urform aller Künste. Unter dem Gesichtspunkt des Gefühls ist die Schauspielkunst die Urform.
Alle Kunst ist Oberfläche und Symbol zugleich.
Wer unter die Oberfläche dringt, tut dies auf eigene Gefahr.
Wer das Symbol entschlüsselt, tut dies auf eigene Gefahr.
Den Zuschauer und nicht das Leben spiegelt die Kunst in Wirklichkeit wider.
Unterschiedliche Ansichten über ein Kunstwerk zeigen, daß das Werk neu, vielschichtig und lebendig ist. Wenn Kritiker unterschiedlicher Meinung sind, steht der Künstler im Einklang mit sich selbst.
Wir können einem Menschen verzeihen, daß er etwas Nützliches schafft, solange er es nicht bewundert. Die einzige Entschuldigung für die Schaffung von etwas Nutzlosem besteht darin, daß man es zutiefst bewundert.
Alle Kunst ist völlig nutzlos.

Oscar Wilde

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