Samstag, 26. März 2011

Anekdote über Dalí

Salvador Dalí, Sohn eines Notars aus Figueras in Katalonien, kam drei Jahre nach mir in die Residenz. Er wollte an der Kunstakademie studieren, und wir nannten ihn, ich weiß nicht mehr warum, "den techechoslowakischen Maler".
Eines Morgens ging ich durch einen Flur der Residenz und sah durch die offene Tür in sein Zimmer. Ich sah, wie er dabei war, ein großes Porträt zu beenden, das mir sehr gut gefiel. Sofort berichtete ich Lorca und den anderen: "Der techechoslowakische Maler hat gerade ein sehr schönes Porträt gemalt."
Alle begaben sich in sein Zimmer, bewunderten das Bild, und Dalí wurde in die Gruppe aufgenommen. Genauer gesagt, er wurde neben Federico mein bester Freund. Wir drei trennten uns kaum noch, vor allem, weil Lorca von einer richtigen Leidenschaft zu Dalí ergriffen wurde, die diesen aber nicht beeindruckte. 
Er war ein schüchterner junger Mann mit einer lauten, tiefen Stimme und langem, aber gepflegtem Haar, der im Alltag nur schwer zurechtkam und höchst merkwürdig gekleidet war: Er trug einen sehr breiten Hut, ein riesiges, zur Schleife gebundenes Halstuch, eine lange, bis zu den Knien herabhängende Jacke und dazu Wickelgamaschen. Man hätte meinen können, er wollte mit seiner Kleidung provozieren, aber dem war nicht so. Er kleidete sich so, weil es ihm gefiel – was die Leute aber manchmal nicht davon abhielt, ihn auf der Straße anzupöbeln.
Er schrieb auch Gedichte, die veröffentlicht wurden.
Ganz jung noch, um 1926 oder 1927, stellte er mit anderen Malern wie Peinado und Viñes in Madrid aus. Als er im Juni beim Examen in der Akademie zur mündlichen Prüfung vor den Professoren Platz nehmen sollte, rief er plötzlich aus:
"Ich gestehe niemandem das Recht zu, mich zu beurteilen. Ich gehe."
Und er ging wirklich. Sein Vater kam aus Katalonien nach Madrid, um die Sache mit den Direktoren der Akademie wieder in Ordnung zu bringen. Aber vergebens, Dalí wurde der Akademie verwiesen.

Luis Buñuel, Mein letzter Seufzer

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen